Schienenverkehr in Mexiko

Interview mit Gorden A. Rumpff, DB Engineering&Consulting

Kaum ein anderes Land plant so grosse Investitionen in den Ausbau des Schienenverkehrs wie Mexiko. Während in Deutschland der Schwerpunkt auf Modernisierung und Effizienzsteigerung bestehender Strecken liegt, plant Mexiko mit rund 3.500km Neubaustrecken die grösste Erweiterung in Lateinamerika. Der Nearshoring-Trend der letzten Jahre hat den Bedarf nach einer Verbesserung der Kapazitäten und Effizienz im Güterverkehr signifikant steigen lassen, damit Handel erleichtert und Logistikketten sicher gestellt werden können. In dicht besiedelten Gebieten und den grossen Städten ist es zudem wichtig, die Verkehrsinfrastruktur zu entlasten und umweltfreundliche Transportmöglichkeiten zu bieten. Und weniger entwickelte Regionen sollen besser angebunden werden, um die wirtschaftliche Entwicklung dort zu fördern.

Wie solche Projekte in Mexiko laufen und welche Herausforderungen es gibt, besprechen wir heute mit Gorden A. Rumpff, Leiter Mexiko von DB Engineering&Consulting.

Lieber Gorden, was macht eigentlich die Deutsche Bahn in Mexiko?

Als Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn ist die DB Engineering & Consulting international aktiv – auch in Mexiko. Während wir in Deutschland vor allem für unsere Muttergesellschaft tätig sind, beraten und begleiten wir weltweit öffentliche und private Auftraggeber bei der Planung, dem Bau und dem Betrieb moderner Verkehrsinfrastrukturen. Unsere Erfahrung reicht dabei bis in die 1960er Jahre zurück – seitdem waren wir in über 100 Ländern im Einsatz.

In Mexiko rückt der Schienenverkehr zunehmend in den Fokus politischer und gesellschaftlicher Aufmerksamkeit, was für uns als internationales Ingenieurunternehmen spannende Perspektiven eröffnet. Unser Leistungsspektrum umfasst alle Projektphasen: von Machbarkeitsstudien und Infrastrukturplanung über Umwelt- und Genehmigungsverfahren bis hin zu Ausrüstungsdesign, Projektmanagement, Bauüberwachung und Inbetriebnahmebegleitung. Dabei berücksichtigen wir stets die lokalen Rahmenbedingungen und Anforderungen – etwa hinsichtlich Nachhaltigkeit, technologischer Standards oder zukünftiger Mobilitätsbedarfe. Unser Ziel ist es, gemeinsam mit unseren Partnern vor Ort einen nachhaltigen Beitrag zur Entwicklung leistungsfähiger, sicherer und umweltfreundlicher Mobilität in Mexiko zu leisten.Davon profitieren auch die Bahnkunden in Deutschland.

Was macht die Projekte in Mexiko besonders spannend?

Einerseits ist es natürlich eine tolle Bestätigung, dass unser europäischer Qualitätsansatz, unser Technik und Prozess-know-how hier so wertgeschätzt werden. Dann sind Einsätze im Ausland natürlich auch eine tolle Lernchance für uns. So lernen wir zum Beispiel in Projekten, die komplett vollautomatisch, also ohne Fahrer, betrieben werden, eine Technik, die bisher so in Deutschland noch nicht oft zum Einsatz kommt. In Mexiko wird die Regierung für sechs Jahre gewählt, danach kann sie nicht wieder gewählt werden. Damit ist erklärtes Ziel, Schienenprojekte eben auch in diesen sechs Jahren zu realisieren! In Deutschland brauchen wir von der Planung bis zur Inbetriebnahme im Durchschnitt bis zu 20 Jahre. Hier lernen wir, wie dynamisch man Projekte umsetzen kann. Eine Besonderheit, die uns vielleicht auf den ersten Blick ungewöhnlich vorkommt, ist, dass hier das Militär eine wichtige Rolle bei der Umsetzung von Infrastrukturprojekten spielt. Erstes Beispiel dafür war der Flughafen AIFA (Aeropuerto Internacional Felipe Angeles) nördlich von Mexico-City, der nach nur dreijähriger Bauzeit im März 2022 eröffnet wurde. Das Militär bietet Sicherheit und Schutz für die Baustellen und kritische Infrastrukturen. Es leistet logistische Unterstützung mit Fahrzeugen, Ausrüstung und Personal für den Transport von Material und Arbeitskräften. Und ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass es die Koordination mit zivilen Behörden übernimmt. Diese Expertise hilft, dass solche grossen Infrastrukturprojekte effizient, sicher und termingerecht fertig gestellt werden!

Welche Bereiche siehst du, in denen deutsche Unternehmen partizipieren können mit ihrer Expertise?

Da gibt es einiges! Alles, was im Bereich Schiene und Bahn tätig ist, hat Potenzial. Von Elementen des Fahrweges wie Schienen, Schwellen, Befestigungen über die Telekommunikationstechnik, Energieversorgung, Leit- und Sicherungstechnik, Signalsteuerung, Digitalisierungslösungen bis hin zur Herstellung von Zügen und Instandhaltungstechnik . Aber auch die Ausbildung ist ein grosses Thema. Die Projekte werden geplant, gebaut, betrieben – und dafür braucht es Menschen, die wissen, wie das geht. Da können wir uns als deutsche Unternehmen noch viel besser vernetzen und stark und selbstbewusst unseren Hut in den Ring werfen.

Bevor ich die Frage stelle, was du mit „besserer Vernetzung“ genau meinst, muss ich doch noch auf den neuen US-Präsidenten zu sprechen kommen. Wie schätzt du den „Trump-Effekt“ auf Mexiko ein?

Für unser Geschäftsfeld beobachten wir die Situation genau, insbesondere im Hinblick auf öffentliche Infrastrukturinvestitionen. Derzeit sehen wir allerdings noch keine konkreten Auswirkungen auf die Finanzierung oder Umsetzung von Infrastrukturvorhaben in Mexiko. Unsere strategische Ausrichtung bleibt daher unverändert: Wir setzen auf langfristige Zusammenarbeit und nachhaltige Mobilitätslösungen, die sowohl regional als auch international zur wirtschaftlichen Stabilität und Vernetzung beitragen.

Schauen wir uns nochmal an, wie sich die deutschen Unternehmen besser vernetzen können. Was schlägst du vor?

Eine tolle Plattform, um die Herausforderungen und Chancen im Schienenverkehr zu diskutieren, war das erste Eisenbahn-Symposium im letzten Jahr, das wir initiiert und organisiert haben. Unser Ziel dabei war, Experten und Entscheider an einem Ort zusammen zu bringen und Know-how und Best Practices auszutauschen. Die Schwerpunkte haben wir dabei auf die Sicherheit und Zuverlässigkeit bei der Entwicklung des Schienenverkehrs gelegt und uns angeschaut, wie wir innovative und digitale Lösungen bestmöglich integrieren können.

Von mexikanischer Seite hatten wir viele Vertreter von der Regierung und den lokalen Eisenbahnbetreibern auf dem Podium. Von deutscher Seite waren Siemens Mobility, TÜV Rheinland und natürlich wir, die Deutsche Bahn vertreten. Das Symposium hat einfach gezeigt, wie wichtig internationale Zusammenarbeit ist, um nachhaltige Infrastrukturprojekte zu realisieren. Und wie wichtig gerade hier in Mexiko eben auch der persönliche Austausch ist!

Das Symposium hat ja im German Centre in Mexiko stattgefunden. Warum hast du diese Location gewählt?

Weil im German Centre zusammen kommt, was zusammen gehört! Das ist einfach der Treffpunkt und Ort der Vernetzung für die deutsche Wirtschaftscommunity, denn auch die CAMEXA hat hier ihr Büro und die Deutsche Botschaft ist präsent. Diese drei Partner haben uns auch bei unserem Symposium unterstützt.

Und sie werden das wieder tun. Im Juni wird es wieder ein Symposium geben, bleibt gespannt!

Und noch eine persönliche Notiz zum German Centre: Man findet hier auch ein Stück Heimat. Wenn man länger im Ausland lebt, merkt man, wie Essen und Geschmack doch in die eigene DNA eingebrannt sind. Und hier gibt es auch mal Brezeln, Stollen oder Bratwurst. Es sind die kleinen Details und zwischenmenschlichen Beziehungen, auf die das German Centre Wert legt und die einem immer wieder ein Lächeln auf die Lippen zaubern. Zu empfehlen ist auch der gemeinsame Stammtisch von German Centre und CAMEXA.

Die letzte Frage: Seit 2019 lebst du in Mexico-City. Was machst du nach einem langen Arbeitstag?

Ja genau, ich leben mitten in der Stadt in einem sehr mexikanischen Viertel und ich fühle mich sehr wohl. Nach Feierabend gehe ich gerne mit Freunden in das Viertel Roma Norte. Es ist sehr international dort und begeistert mich wegen seiner vielen Parks und seinen herrlich designten Bars, Restaurants und Cafés. Der perfekte Platz also, um sich ein Feierabendbier in guter Gesellschaft zu gönnen.

Vielen Dank, Gorden!

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2025-05-05T12:01:18+00:00
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